Marie Kakinuma


Nell Walden (1887–1975) war ausgebildete Musikerin, Übersetzerin, Journalistin, Dichterin, Malerin, Mitarbeiterin der Zeitschrift Der Sturm und der gleichnamigen Galerie und nicht zuletzt war sie während ihrer Berliner Zeit als Kunstsammlerin tätig. Ihre umfangreiche Sammlung bestand aus zwei grossen Teilen, die sie als Einheit betrachtete: zum einen moderne europäische Kunst, zum anderen Kunst der »Naturvölker« (heute »Weltkunst« genannt). Mit ihren eigenen Mitteln als Journalistin und Übersetzerin erwarb sie Kunst aus Afrika, Ozeanien und den präkolumbischen Kulturen, und sie war eine der ersten Sammlerinnen aussereuropäischer Kunst in Deutschland. Ihren Ruf als erfolgreiche Sammlerin krönte sie mit der Präsentation ihrer beiden Sammlungen anlässlich der Einzelausstellung 1927 in der Galerie Flechtheim in Berlin. 

Bereits 1932 beschloss sie, ihre Sammlung in die Schweiz zu verlegen. Bei der Sammlung Nell Walden handelt es sich weder um NS-Raubkunst noch um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut. Ihre Entscheidung ist jedoch keineswegs als rein freiwilliger Akt zu beurteilen, sondern muss im Kontext der nationalsozialistischen Kulturpolitik verstanden werden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland sah sie keine andere Möglichkeit, als freiwillig ins Schweizer Exil zu gehen und sich formell von ihrem deutsch-jüdischen Ehemann Hans Hermann Heimann scheiden zu lassen. 

Nell Walden schrieb 1963 in ihren Memoiren, dass sie 1932 vom Direktor der Kunsthalle Basel, Dr. Wilhelm Barth, um die Leihgabe ihrer Werke für eine Ausstellung gebeten worden sei und sich ihr so die Gelegenheit geboten habe, ihre Sammlung in Sicherheit zu bringen. Waldens retrospektive Darstellung wurde bisher ohne quellenkritische Überprüfung übernommen und ist seither vielfach so rezipiert worden. Recherchen in den Archiven zur Sammlung Nell Walden im Staatsarchiv Basel-Stadt, im Archiv der Kunsthalle Basel und im Archiv des Kunstmuseums Basel ergaben jedoch, dass es im Gegenteil Walden selbst war, die um die Auslagerung ihrer Sammlung gebeten hatte. Im vorliegenden Beitrag wird der Versuch unternommen, die Geschichte des Transfers der Sammlung Nell Walden von Deutschland in die Schweiz und der Deponierung der Werkkonvolute in einer Art »Tour de Suisse« in verschiedenen Museen sowie der Inwertsetzung ihrer Sammlung durch Ausstellungen, Verkäufe und Schenkungen möglichst präzise zu rekonstruieren, indem der dynamische Prozess der Konsensbildung nachgezeichnet wird, in dem die Akteure, die Depositärin, die Leihgeberin sowie Museumsdirektoren, Konservatoren und Galeristen mit ihren idealisierten bzw. pragmatischen Vorstellungen und Vorschlägen interaktiv aufeinander reagierten. Der geografische Fokus liegt auf Bern und dem Wirken des Konservators des Bernischen Historischen Museums, Rudolf Zeller, und des Direktors des Kunstmuseums Bern, Max Huggler. Die Erforschung der Sammlung Nell Walden eröffnet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Einblick in die turbulente Zeit der Berner Museen von Mitte der 1930er bis Mitte der 1940er Jahre.